Wie Dankbarkeit mir immer wieder mein Herz öffnet und mich mit dem Leben verbindet.

Im Grunde ist diese Erkenntnis, bzw. die Aussage für mich ein bisschen überraschend. Mag mir das mit dem „Thema“ Dankbarkeit zwar in spirituellen Kreisen öfters begegnet sein, so war das Wort allerdings oft genau das für mich: Ein Wort, das eine Geste beschreibt.

Inzwischen habe ich erkannt, das sich dahinter viel mehr als eine Geste verbirgt.

Als ich zur Schulzeit englisch lernte, lernte ich gleich mit, dass die Engländer besonders höflich seien und man bei allem Bitte und Danke sage. Das war bei uns zu Hause auch nicht unbedingt anders, aber scheinbar legte man dort ganz besonderen Wert darauf. Als ich dann mit 14 Jahren in den Sommerferien zwei Wochen zu Sprachferien auf die Isle of Wight durfte, wohnte ich bei einer Familie und übte mich in dieser Form der Dankbarkeit.

Can you give me the butter, please. Thank you.

 Excuse me, can you please tell me the way to the train station. Thank you.

 Yes, plase.

 No, thank you.

Dabei kann ich mich noch genau daran erinnern, dass mir das viel Spaß gemacht hat. Nicht nur englisch zu sprechen und zu lernen, sondern immer das Bitte und das Danke hinzuzufügen. Das hatte so etwas von „Aufmerksamkeit mit einem extra Schuss Wachsamkeit“, das gefiel mir.

Vermutlich nahm ich es so wahr, weil es etwas Neues für mich hatte, weil es in einer anderen Sprache war. Dinge in einer anderen Sprache auszudrücken fördert meistens die Aufmerksamkeit, weil es nicht automatisiert tief aus meinem Unterbewusstsein hervorkommt, sondern weil ich es wie ein Geschenk erst neu auspacke und mit neugierigen Augen betrachte und der Bedeutung dann ein neues Geschenkpapier verpacke. Dann glänzt es noch so schön und zeigt den Zauber von Überraschung.

Dann kennst du sicher auch die geforderte Dankbarkeit, die vermutlich jedem Kind begegnet. Das waren die Momente, wo wir etwas geschenkt bekomme haben und so auf das Geschenk fixiert waren, dass alles andere keine Beachtung gefunden hat. Und dann stehen die Eltern daneben und sagen so etwas wie: „Was sagt man da?“ oder „Und jetzt bedanke dich dafür bei …“.

Ich erinnere mich noch gut

 

Ich erinnere mich noch sehr gut an ein Erlebnis, das mich als Kind irritierte. Ich war ungefähr vier Jahre alt und zu der Zeit hatten wir einen Wohnwagen mit einem kleinen Gartengrundstück im Taunus, zu dem wir jedes Wochenende hinfuhren. An dieser Stelle möchte ich meinen Eltern dafür danken, dass sie dieses Grundstück gepachtet haben und wir dort so viel Zeit verbrachten. So lernte ich als Stadtkind früh die Natur kennen und schätzte diese Abenteuer im Wald und mit der Familie sehr, auch wenn es oft Phasen gab, die „doof und langweilig“ waren.

Und jetzt passiert bei mir genau das, worüber ich eigentlich schreiben möchte.

Wie aus dem Nichts kommt die Erkenntnis, diese Dankbarkeit über diese schöne Zeit und es berührt mich zutiefst. Ich sitze im Flugzeug von Namibia auf dem Weg nach Frankfurt und meine Augen werden feucht, eine Träne kullert mir über die Wangen, weil ich so berührt bin von den schönen Erlebnissen, dem Spielen im Wald, das Zusammensein als Familie.

Neben meinem Vater auf einer Wiese im Gras zu liegen und dabei einen Drachen steigen zu lassen. Meiner Mutter zuzuhören, wie sie Nils Holgerson vorliest. Zu viert in dem Wohnwagen zu schlafen, zu essen, zu spielen. Im Winter eingeschneit zu sein und im Schnee zu toben, im Sommer die Wiese hinunterzurollen, Blumen pflanzen, Pfeil und Bogen schnitzen, im Wald versecken spielen, im See schwimmen, Minigolf spielen, im Heu toben, zum Schnitzelrestaurant spazieren, Bummerang werfen, im Bach Staudämme bauen, Frösche und Blindschleichen fangen … spielend die Natur und Natürlichkeit entdecken.

Danke, lieber Mutter, lieber Vater, dass ihr mich mitgenommen habt, auf diese kleinen und großen Abenteuer, in dieses Zusammensein. Nun erkenne ich den wahren Wert, den diese Zeit für mich hatte. Jetzt erst wird mir wirklich bewusst, wie wertvoll diese Zeit war, auch wenn es nicht immer einfach war. Auch wenn ich das im Wald spielen müssen immer wieder doof fand, auch wenn ich manchmal nichts mit mir anzufangen wusste. Jetzt gibt es in mir einen Teil, der sich nach dieser Zeit zurück sehnt, weil ich inzwischen den Mangel an füreinander da Sein erfahren habe, weil ich inzwischen weiss, was es heißt, alleine zu sein, was es heißt, auf sich gestellt zu sein, was es heißt, gestresst zu sein, was es heißt, nur Beton um sich herum zu haben, was es heißt niemanden zum Spielen zu haben und was es heißt Verpflichtungen eingegangen zu sein.

Danke für den Schutz, den ihr mir gegeben habt.

Danke für die Freiheit, die ihr mir gegeben habt.

Danke für euer Vertrauen und für euer Mut, für eure Beharrlichkeit und für eure Kraft, für eure Konsequenz und vor allem für eure unendliche Liebe.

Diese Dankbarkeit, die mich gerade überkommt, öffnet mein Herz. Für meine Eltern, für meine Schwester, für die Natur, für das Spielen, für das Sein. Ohne wenn und aber.

Ich fühle die Verbindung zu allen und obwohl nicht alles schön war, kann ich spüren, fühlen, dass das dazu gehörte. Es hätte nicht fehlen dürfen. Kein Streit, kein Konflikt, keine Ablehnung hätte fehlen dürfen, damit es so perfekt ist, wie es ist.

Und das berührt mich zutiefst.

Diese Dankbarkeit berührt

Das ist die Dankbarkeit, über die ich schreibe möchte.

Die Dankbarkeit, die auch erkennt, was ich vorher nicht erkannt habe.

Was ich vorher ablehnte, nehme ich nun liebevoll in mein Herz. Weil es das ist, was mir fehlte, um zu erkennen, wie wunderschön, wie vollkommen diese Zeit war.

Und so sitze ich hier nun, „geöffnet“ und fange an zu weinen, während mir das Flugzeugfrühstück serviert wird. Ein Frühstück, über das ich sonst eher dachte „Gesund ist das nicht.“ Und nun sehe ich die Liebe darin, ich sehe das Geschenk das mir serviert wird, ich sehe die Vollkommenheit in seinem Sein.

Ich bin hier im Flugzeug umgeben von Menschen, keinen kenne ich persönlich, und doch kann ich sehen, wie jeder einzelne auf seine eigene Art so vollkommen ist.

Es fühlt sich jetzt für mich so an, als ob diese tiefe Dankbarkeit die größte Kraft wäre in diesem Universum. In meiner Dankbarkeit stelle ich mich nicht mehr über das Leben, ich sage dem Leben nicht mehr, wie es zu sein hat.

Ich sehe das Leben.

Ich fühle das Leben.

Ich bin das Leben.

Es bleibt das, was wirklich ist

Diese Dankbarkeit von der ich rede, löst jeden Widerstand in mir auf. Diese Dankbarkeit führt mich so sehr zu mir selbst, dass es keine Trennung mehr gibt, zwischen mir, dem Leben, meinem Sitznachbarn, meiner Vergangenheit und meinen Erlebnissen. Wir sind eins.

Danke, liebes Universum, dass es dich gibt. Ich habe keine Ahnung, wo du her kommst und wo du hin gehst. Ich weiß nur, jetzt bin ich hier. Und du bist hier. Und wir zwei, wir sind eins.

Und wir eins, wir werden das schaukeln, egal was kommen mag. Denn Erfahrung ist das höchste Gut in meinem Menschendasein. Ohne Erfahrung bin ich Nichts – was ich auch gerne bin, denn auch das möchte ich Erfahren.

Ich bin gerne im Sein, mit dir.

Danke

 

Danke, für all diese Erfahrungen, die ich bisher machen durfte. Danke, dass ich jetzt erkennen durfte, dass die Erfahrungen gar nicht so schlecht und schlimm waren, wie ich dachte. Danke, dass ich meinen Irrtum erkennen durfte. Danke, dass du mir auf deine Art und Weise immer wieder zeigst, wo ich mich täusche. Danke, dass du mich enttäuschst. Danke, dass du unbeirrbar bist und mir die Wahrheit so lange vor Augen führst, bis ich sie erkenne. Danke, dass ich Teil des großen Ganzen sein darf. Danke, liebe Mutter, lieber Vater, dass ihr mir das Leben schenktet. Danke liebe Schwester, dass du mich so oft beschützt hast.

Danke lieber Marius, dass du so bist wie du bist.

So wundervoll, so liebenswert, so einzigartig.

Danke, liebes Flugzeug, dass du mich nach Hause bringst. Danke, lieber Laptop, dass ich auf dir meine Texte schreiben kann. Danke, liebe Hände, dass ihr so geschickt im Tippen seid. Danke, liebe Schuhe, dass ihr mir einen bequemen Weg beschert. Danke, liebes Herz, dass du rund um die Uhr schlägst. Danke, liebe Lunge, dass du rund um die Uhr atmest.

Danke, liebes Leben, danke, danke, danke.

Jetzt gibt es nichts mehr zu sagen, nichts mehr zu schreiben.

Jetzt ist alles da, was da sein kann. Diese Dankbarkeit füllt den Raum, der sonst leer wäre. Wäre in dem Raum keine Dankbarkeit, keine Liebe, wäre da einfach Nichts.

Und so schließe ich diesen Text, so schließe ich meine Augen, spüre mich und öffne mich für alles, was noch kommen mag.

In Dankbarkeit und in Liebe.

So behalte ich das irritierende Erlebnis im Taunus für mich, denn es spielt keine Rolle mehr. Es ist nicht mehr wichtig. Der Raum ist nun gefüllt mit dem, was mich erfüllt.

Was will ich mehr?

Nichts.

Ich habe alles.

Immer.

Marius Schäfer

Marius Schäfer

Persönlichkeits-Coach

Durch meine eigene Lebenskrise habe ich begonnen, mich damit auseinanderzusetzen, wie ich positive Veränderung in meinem Leben hervorrufen kann. Meine Erfahrungen teile ich hier mit dir.

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